Bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts war es noch einfach, man konnte sagen: Der Schuhmacher macht Schuhe, d.h. er stellt sie her. Gemäss den damals üblichen persönlichen Zunftzwängen und Hofrechten haben sich die Schuhe herstellenden Schuhmacher, die das zünftige Gewerbe repräsentierten, von den nichtzünftigen, meist ländlichen, reparierenden Berufskollegen abgegrenzt.
In England nannten sich die gehobenen herstellenden Schuhmacher Cordwainers in Anlehnung an das damals geschätzte Cordoba-Leder. Die zunftfremden Schuhreparateure nannte man Cobbler, während die Engländer unter cobbled soviel wie "zusammengebastelt" verstehen. Dieses sprachliche Abgrenzungsmuster, das in der deutschen Sprache dem "Schuhmacher/Flickschuster" entspricht, finden wir auch im italienischen calzolaio/ciabattino, wo man ciabattino auch mit Pfuscher übersetzen kann während calzolaio der Schuhmacher war/ist. In Frankreich's Ancie Régime kannte man neben dem Bottier und Cordonnier den Begriff Savetier, der eine ähnlich abwertende Färbung zu haben schien, heutzutage aber nicht mehr üblich ist. Savate lässt sich als "alter Schuh" wiedergeben.
Die Zunftverfassungen behielten das Recht der Herstellung von Schuhen in ihren meist städtischen Einflussgebieten den Schuhmachern, Bottiers, Cordwainers und Calzolaio vor. Wer dieses Zunftrecht nicht hatte wurde allenfalls als reparierender Schuhmacher geduldet und war ein "Altmacher", "Störer" oder "Pfuscher", damals synonym für ausserzünftige Handwerker, mancherorts Landhandwerker eingeschlossen. Deren Arbeit konnte von den Zünften nicht kontrolliert werden und war ihnen deswegen suspekt. Noch heute versteht man in Österreich unter dem Wort Pfusch illegale Arbeit.
In England hat sich die Begriffsbedeutung heutzutage dahin verändert, dass sich ein Cordwainer als Mass-Schuhmacher versteht und sich damit von der industriellen Massenproduktion abgrenzt. Cordwainer und Shoemaker sind Synonyme. In Deutschland und Österreich nennen sich die Mass-Schuhe herstellenden Fachleute Maßschuhmacher, so auch in der Schweiz, wo jedoch häufig ebenso der französische Begriff Bottier benutzt wird. Bottier wird in der deutschen Sprache oft fälschlich als Stiefelmacher übersetzt, er stellt jedoch den klassischen Massschuh- oder Orthopädie-Massschuhmacher dar.
Seit die Schuhmacher mit dem Ende des 19. Jahrhunderts endgültig die Rolle der Schuhherstellung an die Industrie abgegeben haben, gehört der deutsche Begriff Schuhmacher mehrheitlich den Servicefachleuten um Schuh und Fuss, also den reparierenden Schuhmachern. Dieselben betreiben häufig, sofern sie das Métier gelernt haben, auch Schuhhandel, Einlagenherstellung, Kleinorthopädie und vieles mehr. Die neue "zünftische" Grenze verläuft, seit die Versicherungen Leistungen an orthopädische Mass-Schuhe erbringen, zwischen Schuhmachern und Orthopädieschuhmachern. Letztere sind heute diejenigen, die zur Lieferung von orthopädischen Mass-Schuhen zugelassen sind, wobei man nicht vergessen darf, dass sich etliche Schuhmacher ausserhalb von Versicherungsleistungen im Markt der Mass-Schuhherstellung behaupten können und diesen immer noch (oder sogar vermehrt) bedienen. (Mehr dazu in einem späteren Blog)
Die Bedeutung von Begriffen kann sich, wie wir sehen, mit der Veränderung der wirtschaftlichen Rolle, verschieben. Das wird auch in der Zukunft so sein.
Bis bald
Patrick Winkler
PS: Nennen Sie ihren Schuhmacher oder Schuhservicefachmann nicht "Flickschuster", das wird meistens Abwertend aufgefasst.
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