Freitag, 31. Dezember 2010

Fairness

Ist die Anpassung eines orthopädischen Schuhes nach Mass eine Dienstleistung oder eine Produktion?

Das Bundesamt für Sozialversicherung argumentiert, es sei eine Dienstleistung, vergleichbar mit der Behandlung durch den Arzt oder Physiotherapeuten. Deswegen wird die gesamte Produktion wie eine Behandlung kalkuliert, deswegen bezahlen wir in der Schweiz im Durchschnitt doppelt so viel wie im angrenzenden Europa. In Wirklichkeit ist nur ein Viertel der Anpassung eines komplex-orthopädischen Mass-Schuhes Behandlung, die restlichen Dreiviertel sind anonyme Produktion. In seiner Gesamtheit betrachtet ist die Natur der Herstellung orthopädischer Mass-Schuhe ökonomisch und nicht zu vergleichen mit einer ärztlichen, physiotherapeutischen oder fusspodologischer Behandlung. Das wäre sonst etwa so, wie wenn ein orthopädischer Chirurge die Gelenkprothesen selber schmieden oder der Zahnarzt die Zahnkrone selber modellieren und herstellen würde.

Es ist eine Frage der Fairness, gegenüber den Prämien- und Abgabezahlern die Berechnungen in zeitgemässer Verfahrensart zu machen. Die Qualität der Leistungen wird nicht besser, wenn sie nach einem veralteten System berechnet werden.

Bis bald
Patrick Winkler

Montag, 27. Dezember 2010

Billiger heisst schlechter, findet der Bund

Orthopädische Schuhe sind Hilfsmittel für Menschen mit Behinderung an den Füssen und Beinen, die von den Sozialversicherungen bezahlt werden. Orthopädieschuhmacher stellen solche Schuhe her.

Das Bundesamt für Sozialversicherung sagt, Effizienzsteigerung liege bei den Klein- und Kleinstbetrieben der Orthopädiebranche nicht drin, es sei denn, man nehme schlechtere Qualität in Kauf (Artikel des Beobachters 21/2010). Die Effizientere CAD-CAM Technik, wie wir sie seit mehrern Jahren einsetzen, sei angelblich untauglich.

Wenn billiger schlechter bedeutet - würde meine Technik vom Bundesamt vielleicht eher akzeptiert, wenn ich sie teurer verkaufen würde? War es ein Fehler, dass ich etwas vorgebracht habe, das die Effizienz steigert, die Fokussierung erhöht, den Aufwand verringert und günstiger bei derselben Qualität ist?

Man kann nur hoffen, dass die Denkweise einmal aufbrechen wird.

Bis bald
Patrick Winkler

Freitag, 10. Dezember 2010

Bio Heimatgefühle

Für Bio Produkte erhalten die Produzenten mehr Geld als für konventionell angebautes Gemüse. Die Bio-Produktion schont die Umwelt, Bio-Bauern haben aber einen höheren Aufwand. Konsumenten sind bereit, für Bio höhere Preise zu bezahlen. Der Dachverband der Schweizer Bio-Bauern wacht über die strengen Richtlinien von Bio Suisse, nach denen die Biobauern das Gemüse herstellen.

Das Bio-Geschäft floriert: Letztes Jahr wurden Bio-Produkte für 1,5 Milliarden Franken verkauft – 50 Prozent davon von Marktführer Coop. Wie auch Volg oder Spar verwendet Coop die Knospe von Bio Suisse. Dieses bekannte Label steht für hohe Bio-Qualiät. Bio-Produkte sind teurer als konventionelle. (Zitat Kassensturz, Link siehe unten)

Sowohl Coop, Migros wie auch die Discounter Aldi und Lidl verkaufen Bio-Produkte, die nach den Richtlinien von Bio-Suisse hergestellt wurden. Ein Preisvergleich des Kassensturzes zeigte, dass dieselben Bio-Rübli bei Coop und Migros 45% teurer sind als bei Aldi und Lidl. Indessen verbietet Bio-Suisse den Discountern das Knospen-Label zu führen, obwohl sie die Richtlinien ebenso erfüllen und schützt damit die Grossverteiler Coop und Migros und weitere kleinere Händler vor der Konkurrenz.

Bio Suisse will seine Produktelabel nicht in Discountern sehen weil sie weiss, dass es der schweizer Mentalität widerspricht. Bio soll im teureren Segment positioniert werden. Tief sitzt das Vorurteil in weiten Kreisen der Konsumenten, was man im Discounter finde, könne keine hohe Qualität haben. Was man hingegen teuer gekauft habe muss einfach gut sein.

Welche Geisteshaltung steckt dahinter? Vielleicht will sich ein Teil der Konsumenten damit Abgrenzen. Der Einkauf bei bestimmten Detailhändlern gilt vielleicht als Statussymbol, die Läden sind Orte der Identifikation, bergen Heimatgefühl?

Was nicht sein darf kann nicht sein: Dass ein günstigerer Preis dieselbe Qualität haben kann. Die Hochpreisinsel lässt grüssen.

Bis bald
Patrick Winkler

Sendung Kassensturz

Mittwoch, 8. Dezember 2010

Sind orthopädische Mass-Schuhe Luxus?

Manchmal höre ich, Mass-Schuh-Anfertigungen seien Luxuslösungen. Reicht es nicht, wenn die Fussleidenden einfach nur weiche Turnschuhe anziehen und Einlagen tragen? Fall erledigt?

Solche Lösungen sind nicht immer sinnvoll. Manchmal genügen Einlagen nicht oder sind schlichtweg unmöglich. Auch semiorthopädische konfektionierte Spezialschuhe sind nicht immer die richtige Lösung. In meiner Praxis erlebe ich deswegen immer wieder, dass oft falsche Vorstellungen vorhanden sind.

Die Frage, ob orthopädische Mass-Schuhe Luxus sind scheint mir weniger das Problem darzustellen als die Frage, warum Mass-Schuhlösungen manchmal so unbeliebt sind.
  • Hat der Patient/in oder Artz/Ärztin damit schlechte Erfahrungen gemacht?
  • Ist der der Begriff "orthopädischer Mass-Schuh" mit negativen Vorstellungen belegt?
  • Wirken die hohen Kosten abschrekend?
Das sind allgemeine Fragen, die ich aus Äusserungen von Patienten und Ärzten ableite und die keine Umkehrschlüsse zulassen. Weil ich Ende der Neunzigerjahre einen tendenziellen Rückgang der Neuanfertigungen bei Mass-Schuhen feststellte, musse ich mir überlegen, woran das liegt und wie ich damit umgehen würde. Ich wusste, dass Versorgungsqualität und Know-how abnehmen würde, wenn ich eine bestimmte Häufigkeit von Neuversorgungen unterschreite.

Wir haben unsere Marktstrategie und Technik seit 2004 umgestellt. Heute stellen wir Mass-Schuhe in steigender Zahl her. Oft höre ich Kunden sagen, dass er nicht gedacht hätte, dass solche Anfertigungen trotz allem so viele Vorteile hätten. Und durch die Lieferung von Zusatzpaaren zu den vergüteten Schuhen ist der Fallpreis letztlich auch nicht mehr so hoch. Mass-Schuhe sind kein Luxus für wenige, sondern nützliche Hilfsmittel für viele.

Bis bald
Patrick Winkler

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Multiple Sklerose

Die Multiple Sklerose (MS), auch als Encephalomyelitis disseminata (ED) bezeichnet, ist eine chronisch-entzündliche Entmarkungserkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), deren Ursache trotz grosser Forschungsanstrengungen noch nicht geklärt ist. Sie ist neben der Epilepsie eine der häufigsten neurologischen Krankheiten bei jungen Erwachsenen und von erheblicher sozialmedizinischer Bedeutung.

Die Multiple Sklerose verläuft schubartig. Zu Beginn der Erkrankung werden Seh- und Sensibilitätsstörungen häufig beobachtet. Durch Entzündungsherde im Bereich sensibler Nervenbahnsysteme können Sensibilitätsstörungen wie Missempfindungen (Parästhesien), Taubheitsgefühle und Schmerzen auftreten. Häufig sind hierbei die Hände und Beine (Füsse und Unterschenkel) betroffen. Schmerzen können auch durch eine Trigeminusneuralgie, Krämpfe der Muskulatur sowie durch das Lhermitte-Symptom verursacht sein.

Durch eine spastische Tonuserhöhung kann die Bewegungsfähigkeit des Patienten zusätzlich eingeschränkt werden. Gehunsicherheit und Instabilität sind die Folgen.
Um die Standsicherheit eines Patienten zu erhöhen und die Fussinstabilität zu verringern kann eine Indikation für individuell angefertigte Schuhe sinnvoll sein. Durch unkontrollierte Muskelkontraktionen kann es auch zu Krallenstellungen der Zehen kommen, die nicht nur Druckstellen verursachen sondern auch die Passform eines Schuhes entscheidend verändern und das Tragen selbst konfektionierter Spezialschuhe zur Qual macht. Dieses Problem kann am Besten mit einem individuellen Leistenmodell und einer Einzelanfertigung gelöst werden. Mehr dazu...

Abb links: 3D-Scan eines Hohl-Knickfusses bei MS
Abb rechts: Mass-Schuhstiefel derselben Patientin

Bis bald
Patrick Winkler