Samstag, 25. September 2010

Fokussierung

Wikipedia beschreibt das Verb fokussieren mit „scharf stellen, bündeln“; aus dem lat. focus, „Opferstelle“, abgeleitet als „Zentrum des Interesses“.
Durch das fokussieren stellt man eine Tätigkeit in das Zentrum des Interesses, man konzentriert sich auf einen wesentlichen Teil. So machen wir das mit der Mass-Schuh Herstellung. Aus der Überzeugung, dass das Design eines Leistens* der entscheidende Punkt für ein gutes Resultat bei einer komplex orthopädischen Mass-Schuhversorgung ist, konzentrieren wir unsere Tätigkeit, Weiterbildung und Entwicklung gezielt in dieser Richtung. Mancher mag einwenden, dass es eintönig wird, sich nur auf ein Teilgebiet zu konzentrieren. Ich muss zugestehen, dass die übrigen Tätigkeiten der Handwerkskunst um den Mass-Schuh schöne und erfüllende Aufgaben sind: Das ausdetaillieren des Schaftmusters, das steppen der Schaftteile, das Aufzwicken des Schaftes auf die ausgeglaste Brandsohle und die ganze Bodenmontage und Finish. Ja, es waren schöne Zeiten, als wir das noch selber gemacht haben. Ich gehöre noch zu jener Generation, die das Rahmennähen von Hand gelernt haben, noch mit Pechdraht und Schweineborste!

Die Fokussierung auf den Patientenservice und das Design des Leistens wird aber von der medizinischen Anforderung an das Hilfsmittel Mass-Schuh bestimmt. Darin unterscheiden wir uns vom Mass-Schuhmacher, der einen anderen Schwerpunkt verfolgt. Durch die unendliche Tiefe und Vielfältigkeit der Problemstellungen bei Fussleiden kann es einem nie langweilig werden. Es gibt immer wieder neue Aspekte, die in unseren Wissensschatz einfliessen und unsere Resultate durch häufiges Anwenden verbessern. Das Positive ist, dass wir dadurch in der Lage sind, in kürzerer Zeit viel mehr Fälle zu bearbeiten wie das mögliche wäre, wenn wir jeden Herstellungsschritt selber bearbeiten würden. Dabei helfen uns auch Techniken wie 3D-Scan und CAD-CAM.

Die Fokussierung hilft uns, diese Aufgabe in ihrer Tiefe zu erfassen und die besten Lösungen für unsere Kunden zu erarbeiten.

Bis bald
Patrick Winkler

* Leisten: Siehe Post vom 21.04.2010 „Ästhetik“

Samstag, 18. September 2010

Ist CAD-CAM Technik unnütz?

Moderne Technologien wie CAD-CAM und 3D-Scan sind Werkzeuge, die wir bei der Herstellung von orthopädischen Schuhen einsetzen. Wir haben bereits mehrere hundert Paar Herstellungen mit dieser Technologie durchgeführt, zum Teil schwierige und sehr schwierige Fälle, und dabei gute Ergebnisse erzielt.

Das Bundesamt für Sozialversicherung BSV sagt, das klappe bei orthopädischen Schuhen nur in einfachen Fällen. Das ist so zu verstehen, dass angeblich anspruchsvolle orthopädische Versorgungen damit nicht erfolgreich durchgeführt werden könnten. Ich muss daraus folgern, dass man die Technik im Bereich Leistendesign bei orthopädischen Mass-Schuhen als unnütz betrachtet.

Diese Meinung liegt nun in augenfälligem Widerspruch zu Aussagen ausgewiesener Fachleute. Im Fachmagazin OT 9/2009 schätzt Prof. R. Massen aus Stuttgart, dass die digitale Technologie im Bereich der Orthopädieschuhtechnik in einigen Jahren zu einer Selbstverständlichkeit werden wird. In einem Interview mit dem Verbandsorgan Fuss + Schuh 3/2009 bestätigt auch Prof. R. Brunner aus Basel, dass es seiner Ansicht möglich sei, bei orthopädietechnische Versorgungen digitale Technik einzusetzen. Das Fachmagazin Orthopädie-Schuhtechnik 7-8/2010 widmete das Leitthema den neuen Technologien und berichtet über verschiedene Lösungswege der digitalen Leistenherstellung.

Was sagt der gesunde Menschenverstand? Sehen wir uns einmal um, wo 3D-Scan und CAD-CAM Techniken in der Orthopädietechnik schon heute eingesetzt wird: Sitzschalen, Rumpforthesen, Kompressionsversorgungen, Prothesenschäfte, Einlagen und einiges mehr. Warum sollte es ausgerechnet bei orthopädischen Schuhen nicht klappen?

Der Einsatz von 3D-Scanner und CAD-CAM Technik ist nützlich bei der Herstellung orthopädischer Schuhe mit hohem Komplexitätsgrad, was nicht heisst, dass die analoge Arbeitsweise deswegen schlechte Resultate ergeben muss. Letztendlich muss auch bei digitalem Leistendesign am Ende ein Finish von Hand gemacht werden. Und überhaupt ist das Ergebnis entscheidend, nicht der Weg!

Bis bald
Patrick Winkler

Samstag, 4. September 2010

Mass-Schuhe überhaupt noch nötig? Teil 2

In meinem Blog vom 26. Juni 2010 habe ich die Frage aufgeworfen, ob das Hilfsmittel Orthopädischer Mass-Schuh überhaupt noch nötig sei und ob dieses nicht durch Einlagen und/oder Schuhzurichtungen ersetzt werden könnte. Die Frage ist indirekt abgeleitet aus einer Fuss-Ratgeber Broschüre der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse.

Orthopädische Mass-Schuhe werden dann eingesetzt, wenn man mit einfacheren Mitteln wie Einlagen oder Spezialschuhen nicht ausreichen Entlastung schaffen kann, oder wenn die Fussdeformation eine Normabweichung schafft, die das tragen konfektionierter semiorthopädischer Schuhe unmöglich macht. Massanfertigungen sind also eine Weiterführung einfacher Versorgungslösungen bei Fussleiden.

Eine weitere Frage ist, ob ein Mass-Schuhträger, wenn er sich an das Hilfsmittel einmal gewöhnt hat, nur noch diese tragen kann und nichts mehr anderes. Das trifft bei vielen Patienten zu. Jedoch tragen einige unserer Kunden ergänzend zu den Mass-Schuhen zu Hause semiorthopädische Hausschuhe, die mit Einlagen ausgerüstet und allenfalls zugerichtet sind. Das ist gewiss kein Widerspruch, da die Funktion offener Hausschuhe anderen Gesetzmässigkeiten folgt als geschlossene Schuhe für die Strasse oder das Gelände. Diese Kombination Haussschuh-Strassenschuh ist sinnvoll, kostensparend und wird genutzt.

Das Hilfsmittel orthopädischer Mass-Schuh ist nötig, so wie die Matratze auf einem Bettgestell nötig ist. Man könnte zur Not vielleicht ohne Matratze auf dem Bettrost schlafen, ein sinnvoller Verzicht ist es aber nicht. Und gesund ist es auch nicht.

Bis bald
Patrick Winkler