Christoph Bernoulli, ein Mitglied aus der berühmten Basler Bernoulli-Gelehrtenfamilie war Naturforscher, Ökonom und Professor an der Basler Universität. Daneben kann man ihn als geistigen Vater der Basler Gewerbeschule bezeichnen.
Er schrieb 1822 ein sozialökonomisches Werk über die Zunftverfassung und Industrie. Es ging damals um die Frage, ob man Gewerbefreiheit erlauben sollte oder nicht. Die Zünfte in Basel wehrten sich vehement gegen die wirtschaftliche Freiheit und bestanden auf ihren Traditionen und Privilegien. Freie(re) Gewerbe des Umlandes und die aufkommende Industrie machten ihnen hingegen Boden streitig indem sie Güter auf den Markt brachten, die billiger, oft den Konsumentenwünschen besser entsprechend und manchmal sogar qualitativ hochwertiger waren als jene des Zunfthandwerks.
Während sich in den meisten Schweizer Städten die Freiheit allmählich durchsetzte endete sie in Basel in einem Patt. Die schwere militärische Niederlage der Stadtbasler Truppen gegen die Landschäftler von 1833 zementierte für einige Jahrzehnte die bestehende Ordnung gegen den Fortschritt. Warum stand aber Bernoulli alleine da mit seiner Meinung, dass es für die Gewerbetreibenden besser wäre, wenn sie sich gegen die Zunftordnung wehren würden? Ging es den Handwerkern denn so gut unter diesem System?
Tatsächlich leitete das Handwerk einen lange dauernden und schleichenden Verfall. Die Klagen an die Regierung, man möge doch endlich hart durchgreifen und den immer mehr überhand nehmenden Schmuggel von Waren in die Stadt mit Polizeigewalt an den Stadttoren unterbinden, riss nicht ab. Der Beschluss, die kriegstechnisch nutzlose Stadtmauer für die entstehende Eisenbahnlinie aus Strassburg zu erweitern (statt die Mauern abzureisen wie an anderen Orten) und mit einem verschliessbaren Eisenbahntor zu versehen zeugt von den Kämpfen um den Erhalt des abgeschotteten städtischen Wirtschaftsgebietes mit zünftischer Hoheit.
Bernoulli war sich im Klaren, dass er von den Handwerkern selber keine Unterstützung erhalten würde, zu sehr schienen diese paralysiert zu sein. Es war ihm klar, dass nur durch Druck von Aussen die Macht der Zünfte zurückgestutz werden konnte und schrieb auf Seite 133: "Nur von Vorurtheilen ganz Befangene können die alte Ordnung vertheidigen oder zurückfordern. Jeder nur etwas denkende Handwerker erkennt vielmehr, daβ mit manchen einzelnen Abänderungen noch sehr wenig ausgerichtet ist, und viele sehen sie Nothwendigkeit einer umfassenden Reform ein. Hoffen läβt sich zwar kaum, daβ je von dem Handwerksstande selbst eine solche verlangt werde. Dies darf aus manchen Gründen nicht befremden."
Das Zunfthandwerk wusste zwar, dass es in ihrem System keine Zukunft gab, doch konnten sie von ihren Privilegien nicht abrücken. Sie waren in sich selbst und ihren Monopolansprüchen gefangen. Die Geschichte erzählt uns einen langdauernden leidvollen Kampf der Zunfthandwerke um das politische Primat, der formell erst mit der ersten Revision der Bundesverfassung und der schweizweiten Verankerung der Gewerbefreiheit beendet war. Es hätte nicht so langwierig sein müssen, hätte man auf Bernoulli gehört. Eine gute Beschreibung dazu gibt uns Camille Higy.
Bis bald
Patrick Winkler
Literatur: Über den Nachtheiligen Einfluss der Zunftverfassung auf die Industrie, Christoph Bernoulli 1822
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